Spätestens seit dem 01.01.2018 ist durch die damalige Änderung von § 439 Abs. 3 BGB klar: Aus- und Einbaukosten, die infolge einer mangelhaften Sache entstanden sind, hat der Verkäufer dem Käufer verschuldensunabhängig zu ersetzen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht wurde (nachfolgend: „Einbau“), bevor der Mangel offenbar wurde.
Auch wenn die Diskussion über das Verschuldenserfordernis damit beendet wurde, bergen Ein- und Ausbaukosten noch immer Potenzial für Streitigkeiten. Im Mittelpunkt stehen dabei regelmäßig die Höhe sowie die Erforderlichkeit der angefallenen Kosten, aber auch die Frage, ob überhaupt ein Einbau im Sinne des Gesetzes stattgefunden hat. Mit letzterem hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 21.06.2023 beschäftigt.
Sachverhalt
Im fraglichen Fall bestellte die Klägerin bei der Beklagten Edelstahlrohre zu einem Gesamtpreis von 785.038,64 Euro, um diese als Teil von Rohrleitungssystemen in Kreuzfahrtschiffen zu montieren. Nach der Lieferung begann die Klägerin mit der Vorfertigung der Rohrleitungssysteme, indem die bestellten Edelstahlrohre mithilfe von Verbindungselementen zu sog. „Rohrleitungspools“ zusammengeschweißt wurden. Erst nach diesem Vorgang zeigten sich Materialfehler der Edelstahlrohre, sodass die Klägerin die Vorfertigung einstellte und die Rohrleitungspools wieder auseinanderbaute, um nach dem Austausch der Edelstahlrohre, die genutzten Verbindungselemente (Rohrleitungsfittings und Messstutzen) für die erneute Vorfertigung von Rohrleitungspools wiederverwenden zu können. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Ersatz der Kosten in Höhe von 1.372.516,82 Euro (zzgl. Zinsen), die durch das Auseinanderbauen bereits entstanden sind und die bei einer erneuten Vorfertigung noch entstehen werden. Die Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos und hatte in der Revision Erfolg.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht hatte einen Einbau und somit einen Aufwendungsersatzanspruch abgelehnt, da der geplante Einbau der Rohre in die Kreuzfahrtschiffe noch nicht stattgefunden hat. Im Übrigen scheide ein Ersatz der Ein- und Ausbaukosten auch deshalb aus, weil die Klägerin durch das Zusammenschweißen der Rohre mithilfe der Verbindungselemente eine neue Sache geschaffen habe und der Käufer für das Schaffen einer neuen Sache das Risiko zu tragen habe.
Diesen Auffassungen hat der BGH widersprochen. Nach Ansicht des BGH besteht ein verschuldensunabhängiger Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin aus § 439 Abs. 3 S. 1 BGB a.F., da ein Einbau der Edelstahlrohre in eine andere Sache gegeben ist.
Es kommt nach der Argumentation des BGH nicht darauf an, ob der geplante Einbau schon vollständig abgeschlossen ist oder eine neue Sache entsteht. Für eine solch restriktive Auslegung der Regelung in § 439 Abs. 3 BGB existierten keine Anhaltspunkte. Vielmehr könne sich der Einbauvorgang in mehreren Stufen vollziehen und dürfe daher nicht auf die Vollendung der Schlussphase reduziert werden. Es komme stattdessen darauf an, ob der betreffende Vorfertigungsprozess der Art und dem Verwendungszweck der Sache entspreche. Andernfalls würde die Entstehung eines Aufwendungsersatzanspruchs nicht selten vom Zufall abhängen, nämlich davon, wann im Fertigungsprozess ein Mangel erkennbar wird. In Bezug auf die Argumentation des Berufungsgerichts zur Schaffung einer neuen Sache gilt nach Ansicht des BGH: Die Regelung des § 439 Abs. 3 BGB findet erst dort ihre Grenze, wo die mangelhafte Sache in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr vorhanden ist, beispielsweise durch Vermengung oder Vermischung. Solange jedoch der Einbau der Sache revidierbar ist, führen individuelle Veränderungen der Sache im Rahmen eines Be- oder Verarbeitungsprozesses nicht zum Ausschluss eines Aufwandsersatzanspruchs für Ein- und Ausbaukosten.
Nach den Ausführungen des BGH entspricht die in diesem Fall von der Klägerin vorgenommene Vorfertigung der Art und dem Verwendungszweck der Edelstahlrohre, weshalb ein Einbau im Sinne des § 439 Abs. 3 BGB zu bejahen sei. Dies gilt nach dem BGH trotz der Tatsache, dass die Edelstahlrohre noch nicht in die Schiffskörper integriert waren und somit der endgültige Einbau noch nicht stattgefunden hat.
Die historische Auslegung spreche ebenfalls für ein weites Verständnis, denn der Gesetzgeber habe mit dieser Regelung gerade dafür sorgen wollen, dass Handwerker und Unternehmer nicht pauschal auf den Folgekosten von Produktmängeln sitzen bleiben, die der Lieferant oder Hersteller zu verantworten hat. Den Interessen der Beklagten sei dahingehend Rechnung getragen, dass sie über die Regressvorschriften in der Lieferkette auf den Hersteller als Verursacher des Mangels zugreifen könne.
Bewertung und Konsequenzen
Das Urteil des BGH ist die logische Schlussfolgerung aus der richtlinienkonformen Auslegung des § 439 Abs. 3 BGB und entspricht im Übrigen auch dem Willen des deutschen Gesetzgebers (BT-Druck. 18/8486, S. 1, S. 2 und S. 39). Dieser beabsichtigte mit der Anpassung von § 439 Abs. 3 BGB in erster Linie die Entlastung der Handwerker und Unternehmer, die mangelhafte (Bau-) Materialien erworben haben. Diese sollen den Verkäufer für dadurch entstandene Kosten verschuldensunabhängig in Anspruch nehmen können. Eine zu enge Auslegung des § 439 Abs. 3 BGB im Hinblick auf das Vorliegen eines Einbaus würde dem widersprechen.
Für die Praxis hat das Urteil hohe Relevanz für Unternehmen, die in einer vorgelagerten Fertigungsstufe tätig sind oder ihrer eigentlichen Fertigung oder Leistung noch Prozesse vorgeschaltet haben. Klassischerweise betrifft dies beispielsweise häufig auch 2nd- und 1st-Tier-Lieferanten der Automobilzuliefererindustrie. Auf Basis der oben ausgeführten Argumentation des BGH können beispielsweise von Zulieferern durchgeführte Schritte für einen Zusammenbau (Montieren, Schweißen, Kleben, Stecken, Schrauben, usw.) einen Einbau im Sinne von § 439 Abs. 3 BGB darstellen, auch wenn der finale Einbau in das Produkt des Lieferanten oder auch der Einbau in das finale Fahrzeug noch nicht abgeschlossen ist. In der Folge können Lieferanten, die solche vorgelagerten Fertigungsschritte ausführen, von Verkäufern mangelhafter Teile grundsätzlich auch den Ersatz von Ein- und Ausbaukosten verlangen.
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