Follow-up: (Preis-)Nachverhandlungen in der Lie­fer­ket­te und Risi­ken des einst­wei­li­gen Verfügungsverfahrens

Gestie­ge­ne Energie- und Roh­stoff­prei­se füh­ren nahe­zu bran­chen­über­grei­fend dazu, dass Zulie­fe­rer stei­gen­de Kos­ten an ihre Kun­den wei­ter­ge­ben (müs­sen) und ihre Kun­den zu Vertrags(nach)verhandlungen auf­for­dern. Wer­den Preis­nach­ver­hand­lungs­be­geh­ren etwa mit der Ankün­di­gung ver­bun­den, dass der Mate­ri­al­be­zug nicht mehr oder nur erschwert mög­lich ist oder die Liqui­di­tät des Zulie­fe­rers bedroht ist, ergibt sich unter ande­rem das Risi­ko, dass auf Antrag des Kun­den eine einst­wei­li­ge Ver­fü­gung ohne Anhö­rung des Zulie­fe­rers erlas­sen wird.

Im Zusam­men­hang mit unse­rem letz­ten News­bei­trag zu die­sem The­ma ist die jüngst vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt ergan­ge­ne Ent­schei­dung begrü­ßens­wert: Sie schärft die Kon­tu­ren der pro­zes­sua­len Waf­fen­gleich­heit und betont aber­mals den beson­de­ren Aus­nah­me­cha­rak­ter einer feh­len­den Anhö­rung im einst­wei­li­gen Verfügungsverfahren.

Die Anhö­rung als Grundsatz

Grund­sätz­lich folgt aus dem Anspruch auf recht­li­ches Gehör, dass der Antrags­geg­ner (hier der Zulie­fe­rer) vor Erlass eines statt­ge­ben­den Beschlus­ses auch im Rah­men einer einst­wei­li­gen Ver­fü­gung anzu­hö­ren und ihm damit Gele­gen­heit zu gewäh­ren ist, auf eine bevor­ste­hen­de gericht­li­che Ent­schei­dung Ein­fluss zu neh­men. Das Gericht muss den Par­tei­en glei­cher­ma­ßen die Mög­lich­keit ein­räu­men, alles für die gericht­li­che Ent­schei­dung Erheb­li­che vor­zu­tra­gen und alle zur Abwehr des geg­ne­ri­schen Anspruchs erfor­der­li­chen pro­zes­sua­len Ver­tei­di­gungs­mit­tel gel­tend zu machen.

Eine sol­che Mög­lich­keit ist den Par­tei­en grund­sätz­lich ein­zu­räu­men, wobei die Äuße­rungs­mög­lich­keit auf ver­schie­de­ne Arten gewährt wer­den kann (bspw. indem das Gericht dem Antrags­geg­ner fern­münd­lich Gele­gen­heit zur Äuße­rung gibt).

Unter­las­se­ne Anhö­rung als (abso­lu­te) Ausnahme

Von die­sem Grund­satz dür­fen die Gerich­te nur in eng begrenz­ten Aus­nah­me­fäl­len abwei­chen. Vor­aus­set­zung ist neben einer beson­de­ren Eil­be­dürf­tig­keit, dass andern­falls der Zweck des einst­wei­li­gen Ver­fü­gungs­ver­fah­rens ver­ei­telt würde.

Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hat dabei klar­ge­stellt, dass eine ohne Anhö­rung des Antrags­geg­ners (zu des­sen Nach­teil) ergan­ge­ne Ent­schei­dung erken­nen las­sen muss, dass sich das Gericht des Aus­nah­me­cha­rak­ters sei­ner Ver­fah­rens­hand­ha­bung bewusst war. In der Ent­schei­dung muss dar­ge­legt wer­den, wes­halb eine Par­tei aus dem Ver­fah­ren her­aus­ge­hal­ten wird. Eine ledig­lich for­mel­haf­te Begrün­dung, dass „wegen Eil­be­dürf­tig­keit“ von der münd­li­chen Ver­hand­lung abge­se­hen wird, genügt dem nicht. Ins­be­son­de­re dür­fen weni­ger ein­schnei­den­de Alter­na­ti­ven nicht bestan­den haben, also auch eine kurz­fris­ti­ge fern­münd­li­che Anhö­rung darf nicht mög­lich gewe­sen sein.

Kon­se­quen­zen und Handlungsempfehlung

Selbst in den Fäl­len ange­droh­ter Lie­fer­stopps und umso mehr in Fäl­len einer Auf­for­de­rung zu Nach­ver­hand­lun­gen besteht regel­mä­ßig noch Zeit, inner­halb derer das Gericht dem Antrags­geg­ner (hier dem Zulie­fe­rer) jeden­falls fern­münd­lich Gele­gen­heit zur Stel­lung geben könn­te.
Da unge­ach­tet des­sen nicht aus­zu­schlie­ßen ist, dass Gerich­te von dem Grund­satz der Anhö­rung in einst­wei­li­gen Ver­fü­gungs­ver­fah­ren abwei­chen, soll­ten Zulie­fe­rer nicht nur sehr prä­zi­se auf ihre Kom­mu­ni­ka­ti­on mit dem Kun­den ach­ten, son­dern auch von ihren prä­ven­ti­ven recht­li­chen Mög­lich­kei­ten Gebrauch machen. Dem mit dem Erlass einer einst­wei­li­gen Ver­fü­gung ein­her­ge­hen­den wirt­schaft­li­chen und unter­neh­me­ri­schen Risi­ko kön­nen und soll­ten Zulie­fe­rer zusätz­lich mit einer Schutz­schrift begeg­nen. Damit kann zumin­dest sicher­ge­stellt wer­den, dass die eige­ne Sach­ver­halts­schil­de­rung berück­sich­tigt wird.

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