Seit dem 26. Mai 2022 gilt die Verordnung (EU) 2017/746 über In-vitro-Diagnostika (IVDR). Sie ersetzt die Richtlinie 98/79/EG über In-vitro-Diagnostika (IVDD) (PDF). Ab diesem Zeitpunkt müssen In-vitro-Diagnostika den Anforderungen der IVDR entsprechen. Dazu zählt für eine Vielzahl von In-vitro-Diagnostika der Einbezug einer Benannten Stelle in das Konformitätsverfahren. Aufgrund der geringen Anzahl der nach IVDR bereits akkreditierten Benannten Stellen stellt der Einbezug einer Benannten Stelle für die Hersteller von In-vitro-Diagnostika eine Herausforderung dar. Dies hat auch der europäische Gesetzgeber nach entsprechend deutlichen Hinweisen aus der Branche verstanden und den Herstellern von In-vitro-Diagnostika, in deren Konformitätsbewertungsverfahren gemäß der IVDR eine Benannte Stelle einzubeziehen ist, verlängerte Übergangsfristen für die IVDR-Compliance eingeräumt.
Übergangsfristen für IVDR-Compliance nach Risikoklasse der In-vitro-Diagnostika
Die Länge dieser Übergangsfristen richtet sich nach der Risikoklasse der In-vitro-Diagnostika. Damit Hersteller von In-vitro-Diagnostika von den Übergangsfristen profitieren können, müssen ihre Produkte den Vorgaben der IVDD entsprechen und die Hersteller dürfen nach dem 26. Mai 2022 keine wesentlichen Veränderungen an dem Produkt selbst oder dessen Zweckbestimmung vornehmen.
Das Ende der Übergangsfrist gibt die folgenden Stichtage für die vollumfängliche IVDR-Compliance des In-vitro-Diagnostikums vor:
- Für In-vitro-Diagnostika der Klasse A (nicht steril) und In-vitro-Diagnostika aller Klassen, deren Konformitätserklärung nach dem 26. Mai 2022 ausgestellt wird, ist der Stichtag für die IVDR-Compliance der 26. Mai 2022.
- Für In-vitro-Diagnostika der Klasse D ist der Stichtag für die IVDR-Compliance der 26. Mai 2025, sofern die Konformitätserklärung vor dem 26. Mai 2022 ausgestellt wurde.
- Für In-vitro-Diagnostika der Klasse C ist der Stichtag für die IVDR-Compliance der 26. Mai 2026, sofern die Konformitätserklärung vor dem 26. Mai 2022 ausgestellt wurde.
- Für In-vitro-Diagnostika der Klasse B und der Klasse A (steril) ist der Stichtag für die IVDR-Compliance der 26. Mai 2027, sofern die Konformitätserklärung vor dem 26. Mai 2022 ausgestellt wurde.
In-vitro-Diagnostika, die vor ihrem jeweiligen IVDR-Compliance-Stichtag in Verkehr gebracht werden, dürfen noch ein weiteres Jahr nach Ablauf des Stichtages auf dem Markt bereitgestellt werden (sogenannte “Abverkaufsregel”). Die Bereitstellung auf dem Markt ist hierbei jede entgeltliche oder unentgeltliche Abgabe eines Produktes zum Vertrieb, zum Verbrauch oder zur Verwendung auf dem Unionsmarkt im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit. Dies bedeutet u.a., dass Produkte, die vor dem jeweiligen IVDR-Compliance-Stichtag in Verkehr gebracht, d.h. erstmalig auf dem Unionsmarkt bereitgestellt wurden, nach genanntem Stichtag für ein weiteres Jahr verkauft werden dürfen.
Hersteller von In-vitro-Diagnostika, die nach dem jeweiligen IVDR-Compliance-Stichtag in Verkehr gegeben werden, müssen zwingend sicherstellen, dass ihre Produkte den Vorgaben der IVDR entsprechen. Anderenfalls drohen den Herstellern Maßnahmen der Marktüberwachungsbehörden, die von der Untersagung der Bereitstellung des Produktes auf dem Markt bis hin zur Anordnung des Rückrufes oder der Rücknahme reichen können. Für die Hersteller von In-vitro-Diagnostika der Klasse A (nicht steril) und In-vitro-Diagnostika aller Klassen, deren Konformitätserklärung erst nach dem 26. Mai 2022 ausgestellt wird, sind Marktüberwachungsmaßnahmen bereits zum jetzigen Zeitpunkt möglich.
Die Übergangsfristen wirken sich nicht auf alle Herstellerpflichten aus
Unabhängig von der Risikoklasse gelten einige IVDR-Regelungen bereits ab dem 26. Mai 2022 für alle In-vitro-Diagnostika. Hersteller müssen ab diesem Zeitpunkt die folgenden IVDR-Vorgaben beachten:
- die Anforderungen an die Überwachung der Produkte nach dem Inverkehrbringen durch die Implementierung eines Überwachungssystems sowie entsprechende Berichte über die Überwachung und die Sicherheit der Produkte,
- die Vorgaben zur Vigilanz bei schwerwiegenden Vorkommnissen und Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Feld,
- die Pflichten zur Registrierung von Wirtschaftsakteuren und Produkten in Eudamed.
Bei einem Verstoß drohen auch hier empfindliche Maßnahmen der Marktüberwachungsbehörden, die bis zur Anordnung des Rückrufes oder der Rücknahme des Produktes vom Markt reichen können.
Fazit
Sofern noch nicht geschehen, sollten Hersteller umgehend die Vorgaben der IVDR zur Registrierung der Produkte und der Hersteller selbst sowie zur Überwachung der Produkte nach Inverkehrgabe und die Anforderungen an die Vigilanz umsetzen, um Marktüberwachungsmaßnahmen zu vermeiden.
Unabhängig von der Risikoklasse der Produkte ist es für Hersteller empfehlenswert, die Anforderungen der IVDR zeitnah umzusetzen und insbesondere die Konformitätsbewertung unter Einbezug der Benannten Stelle zu forcieren. Letztere kann aufgrund der geringen Zahl an akkreditierten Benannten Stellen mit erheblichem Zeitaufwand verbunden sein, den Hersteller hinsichtlich des Stichtages der vollumfänglichen IVDR-Compliance berücksichtigen sollten.
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