Neue deutsche Zulassungsverordnung für Schienenfahrzeuge und Schieneninfrastruktur in 2018
Das Verkehrsministerium hat überraschend das Gesetzgebungsverfahren für eine neue Zulassungsverordnung für Schienenfahrzeuge und Schieneninfrastruktur gestartet, welche noch in diesem Jahr in Kraft treten soll.
Die neue Eisenbahn-Inbetriebnahmegenehmigungsverordnung (EIGV)
Die neue nationale EIGV soll noch in 2018 in Kraft treten, adressiert aber noch die alte EU-Interoperabilitäts-Richtlinie aus 2008. Die deutsche Eisenbahnindustrie muss sich daher auf zwei (!) neue Zulassungsvorschriften innerhalb der nächsten 18 Monate einstellen – und das kurz hintereinander.
Rückblick
Ende Dezember 2017 hat das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur den Referentenentwurf für eine 13. Verordnung zum Erlass und zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vorgelegt und in die Verbändeanhörung gegeben. Kernstück des Entwurfs ist die Änderung, Anpassung und Neugestaltung der Transeuropäischen-Eisenbahn-Interoperabilitätsverordnung (TEIV), welche die Planung, den Bau, die Inbetriebnahme, die Umrüstung, die Erneuerung, den Betrieb und die Instandhaltung von Eisenbahnsystemen regelt.
Der Schritt des Verkehrsministeriums nun die TEIV anzupassen und um die bestehenden europäischen Vorgaben zu aktualisieren, war zwar von vielen Akteuren der Bahnindustrie über Jahre hinweg gefordert worden, kommt aber zum aktuellen Zeitpunkt völlig überraschend. Denn noch im Sommer 2015 hatte das Verkehrsministerium – mit Verweis auf das 4. Eisenbahnpaket und die Bemühungen der Europäischen Kommission eine gesamt-europäische Zulassungsverordnung zu erstellen – sämtliche Aktionen für eine Neugestaltung der nationalen Vorschriften für die Zulassung von Eisenbahnsystemen auf Eis gelegt.
EIGV und neue EU Zulassungsverordnung aus dem 4. Eisenbahnpaket
Die angesprochene europäische Zulassungsverordnung für Schienenfahrzeuge liegt inzwischen vor. Sie wurde im November 2017 von den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verabschiedet, soll im April diesen Jahres durch die Europäische Kommission veröffentlicht werden und dann bereits im Juni 2019 in der EU in Kraft treten. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum das Verkehrsministerium nur ein Jahr vor dem geplanten Inkrafttreten der europäischen Zulassungsverordnung nochmal ein eigenes Gesetzgebungsvorhaben anstrengt, um die nationalen Regelungen in genau demselben Bereich zu ändern. Auch ist fraglich, was die Anwender letztlich von dieser Änderung noch haben werden, wenn nur kurze Zeit später das europäische Verfahren greift. Denn das Gesetzgebungsverfahren wird als solches einige Zeit in Anspruch nehmen, zumal aktuell auch noch gar keine neue Bundesregierung im Amt ist, die ein solches Vorhaben umsetzen könnte.
Das Warum der Frage lässt sich recht schnell beantworten. Gegen den Mitgliedsstaat Deutschland läuft derzeit in Brüssel ein Vertragsverletzungsverfahren wegen nicht bzw. nicht vollständiger Umsetzung der Interoperabilitäts-Richtlinie 2008/57/EG. Diese hätte eigentlich schon bis zum Juli 2010 umgesetzt werden müssen, so dass jede weitere Verzögerung und Verfehlung dies zu tun im Zweifel vor dem Europäischen Gerichtshof endet. Folglich hat das Gesetzgebungsvorhaben nicht den Anspruch den lang ersehnten Wünschen der deutschen Bahnindustrie Rechnung zu tragen, sondern lediglich das laufende Vertragsverletzungsverfahren zu beenden.
Wichtig für Hersteller und Anwender
Wesentlich spannender ist jedoch die Frage, welche Änderungen das neue Regelwerk mit sich bringt und welche Auswirkungen das Vorhaben auf die Hersteller und Anwender der Materie haben wird. Das Verkehrsministerium hat den ambitionierten Plan die neue EIGV noch in diesem Jahr und damit einige Monate vor der neuen europäischen Regelung in Kraft treten zu lassen. Antragsteller könnten hierdurch mit der komplexen Problematik konfrontiert sein in kürzester Zeit für ihre Produkte, Folgeabrufe und Umrüstungen drei unterschiedliche Zulassungsverfahren (TEIV, EIGV und EU) parallel anwenden und durchlaufen zu müssen. Um in dieser Umgebung keinem Stillstand oder Vertragsrisiken mit enormen Zusatzkosten ausgesetzt zu sein, brauchen Antragsteller detaillierte Kenntnisse der einzelnen Zulassungsverfahren, eine vorausschauende belastbare Zulassungsplanung und solide Vertragsregelungen gegenüber ihren Kunden.
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