Corona hat der Medizinproduktebranche in Bezug auf den Geltungsbeginn der MDR eine Verlängerung der Übergangsfrist beschert. Angesichts der mit Corona einhergehenden Herausforderungen für die Branche erachteten etliche Akteure diese Fristverlängerung als zu kurz, um sich wirklich MDR-konform aufzustellen.
Problematisch sind hierbei für Hersteller von Produkten der Klasse Is, Im und höher, Auslegungsfragen in Bezug auf Artikel 120 MDR. Danach ist das weitere Inverkehrbringen bzw. der Abverkauf von Produkten erlaubt, die noch Richtlinien-konform hergestellt wurden und für die zum Stichtag am 26.05.2021 noch gültige Bescheinigungen Benannter Stellen bestanden, solange sie unter Geltung der MDR nicht wesentlich geändert werden. Zu der Frage, was im Einzelfall unter der Formulierung “wesentliche Änderungen der Auslegung und der Zweckbestimmung” zu verstehen ist, wird unter Herstellern und Benannten Stellen bereits heftig diskutiert.
Klar ist – und dies gilt gerade auch für Klasse-I-Produkte, für die Artikel 120 MDR nicht greift, dass für das erstmalige Inverkehrbringen von Medizinprodukten die Anforderungen der MDR nun verbindlich zu beachten sind. Besonderes Augenmerk ist hierbei auf die folgenden, nach MDR strenger als bisher geregelten Aspekte zu legen:
- korrekte Klassifizierung des Produkts nach den strengeren Klassifizierungsregeln der MDR
- Sicherstellung, dass die grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen des Anhangs I der MDR erfüllt sind (hierzu gehören auch die Anforderungen an IT-Sicherheit und Datenschutz) ggfs. unter Einbezug harmonisierter Normen und Common Specifications
- Erstellen einer klinischen Bewertung
- Erstellen einer Technischen Dokumentation
- Vorbereitung der Gebrauchsanweisung und Kennzeichnung
- Etablieren eines QM-Systems
- Vorhandensein einer für die Einhaltung der Regulierungsvorschriften verantwortlichen Person nach Artikel 15 MDR
- Registrierung von Produkt und Hersteller soweit möglich in der EUDAMED-Datenbank
- Implementierung eines Post-Market-Surveillance-Systems einschließlich Strukturieren eines regelmäßigen Berichtssystems (PMS, PSUR)
- Implementierung eines Vigilanzsystems zur Meldung von “Field Safety Corrective Actions”
Zur Notwendigkeit, MDR-Compliance zu erzielen, kommt die Anforderung, auch die im Zuge der MDR geänderte nationale Gesetzeslage zu beachten. Teilweise sind Hersteller, Importeure und Händler nach nationalen Regeln sogar noch strengeren Anforderungen ausgesetzt, als es ursprünglich in der MDR angelegt war.
Fazit und Handlungsoption
Hersteller, deren Produkte noch über gültige Bescheinigungen nach den Richtlinien verfügen, sollten sich über “Restlaufzeiten” sowie Grenzen und Bedeutung der Abverkaufsregel Klarheit verschaffen. Im Hinblick auf das Inverkehrbringen neuer Produkte und Klasse-I-Produkte sind die Anforderungen der MDR, aber auch der neuen nationalen Regeln von Herstellern wie Importeuren und Händlern gleichermaßen zu beachten.
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