OLG Stutt­gart: Vor­sicht beim Dro­hen mit Lieferstopps

Die Ankün­di­gung von Lie­fer­stopps als wider­recht­li­che Drohung

Dies bestä­tig­te das OLG Stutt­gart mit Urteil vom 07.04.2022 (Az.: 2 U 63/21), wel­ches über die Scha­dens­er­satz­kla­ge eines Auto­mo­bil­zu­lie­fe­rers gegen eine welt­weit täti­ge Auto­mo­bil­her­stel­le­rin zu ent­schei­den hatte.

Dabei stell­te das Gericht ins­be­son­de­re fest, dass Wil­lens­er­klä­run­gen, die nur zur Ver­mei­dung von wider­recht­lich ange­droh­ten Lie­fer­stopps abge­ge­ben wer­den, anfecht­bar sind und des­halb dar­auf basie­ren­de Ver­ein­ba­run­gen gemäß § 142 Abs. 1 BGB nich­tig sein können.

Zum Sach­ver­halt

Der Zulie­fe­rer „Pre­vent“ belie­fer­te die „Mer­ce­des Benz Group AG“ (frü­her: Daim­ler AG und im Fol­gen­den „Mer­ce­des“) seit 2010 mit Kfz-Sitzbezügen. Weil sich sei­ne Kos­ten im Lau­fe der Zeit erhöht hat­ten und er die Belie­fe­rung von Mer­ce­des als nicht mehr wirt­schaft­lich betrach­te­te, kün­dig­te der Zulie­fe­rer am 13.12.2013 alle mit Mer­ce­des bestehen­den Lie­fer­ver­trä­ge außer­or­dent­lich zum 31.01.2014. Gleich­zei­tig bot er der Her­stel­le­rin an, neue Lie­fer­ver­trä­ge zu ange­pass­ten Kon­di­tio­nen zu schlie­ßen. Die­se Art der Ver­trags­an­pas­sung lehn­te Mer­ce­des zunächst ab.

Als sich die Par­tei­en nicht eini­gen konn­ten, teil­te Pre­vent am 31.01.2014 gegen­über Mer­ce­des mit, ab dem Fol­ge­tag, 01.02.2014, kei­ne wei­te­ren Lie­fe­run­gen mehr zu erbrin­gen. Aus die­ser Zwangs­la­ge her­aus ließ sich Mer­ce­des am 04.02.2014 doch auf die ange­pass­ten Kon­di­tio­nen ein. Dar­in vor­ge­se­hen waren unter ande­rem monat­li­che Aus­gleichs­zah­lun­gen an den Zulie­fe­rer in Höhe von ca. 80.000 EUR.

Ein hal­bes Jahr spä­ter, am 01.08.2014, hat Mer­ce­des die zu der Ver­ein­ba­rung füh­ren­de Wil­lens­er­klä­rung wegen wider­recht­li­cher Dro­hung ange­foch­ten und kün­dig­te mit glei­cher Begrün­dung aus wich­ti­gem Grund alle sons­ti­gen bestehen­den Ver­trä­ge mit dem Zulie­fe­rer. Ab Sep­tem­ber 2014 nahm Mer­ce­des dann auch kei­ne Sitz­be­zü­ge mehr an. Dar­auf­hin mach­te Pre­vent vor dem Gericht Scha­dens­er­satz­an­sprü­che in zwei­fa­cher Mil­lio­nen­hö­he wegen ent­gan­ge­nen Gewinns gegen Mer­ce­des geltend.

Zur Ent­schei­dung

Das OLG Stutt­gart bestä­tig­te die Auf­fas­sung der Vor­in­stanz (LG Stutt­gart) und wies die Kla­ge von Pre­vent im Wesent­li­chen ab.

Fest­ge­stellt hat das OLG Stutt­gart dabei, dass Mer­ce­des ab dem 01.08.2014 nicht mehr dazu ver­pflich­tet war, die Sitz­be­zü­ge anzu­neh­men. Mer­ce­des mach­te sich daher durch die Nicht­ab­nah­me auch nicht gegen­über Pre­vent scha­dens­er­satz­pflich­tig. Mit der am 01.08.2014 wirk­sam erklär­ten Anfech­tung konn­te sich Mer­ce­des näm­lich mit sofor­ti­ger Wir­kung von der am 04.02.2014 getrof­fe­nen Ver­ein­ba­run­gen lösen.

Grund zur Anfech­tung sah das Gericht in der wider­recht­li­chen Dro­hung durch Pre­vent, einen Lie­fer­stopp zu ver­hän­gen. Ursäch­lich hier­für war, dass Pre­vent weder ein Recht hat­te, den Ver­trag frist­los zu kün­di­gen, noch die Belie­fe­rung ab dem ange­kün­dig­ten Datum einzustellen.

Eine frist­lo­se Kün­di­gung kam man­gels eines wich­ti­gen Grun­des vor­lie­gend nicht in Betracht. Pre­vent hat­te sich auf die „öko­no­mi­sche Schief­la­ge“ eines Stand­orts beru­fen. Das genügt laut dem OLG Stutt­gart jedoch nicht, um einen wich­ti­gen Grund gemäß § 314 BGB oder eine schwer­wie­gen­de und dem Lie­fe­ran­ten nicht (mehr) zumut­ba­re Ver­än­de­rung von Ver­trags­grund­la­gen gemäß § 313 BGB zu begrün­den. In bei­den Fäl­len ist ent­schei­dend, dass „öko­no­mi­sche Schief­la­gen“ grund­sätz­lich in den Risi­ko­be­reich des Lie­fe­ran­ten fal­len und Pre­vent hier auch nichts ande­res (z.B. eine den­noch gege­be­ne Unzu­mut­bar­keit) dar­le­gen konnte.

Im Übri­gen schloss das OLG Stutt­gart auch die Umdeu­tung der außer­or­dent­li­chen in eine ordent­li­che Kün­di­gung aus. Dies schei­ter­te dar­an, dass für die ordent­li­che Kün­di­gung eine „ange­mes­se­ne Frist“ hät­te ein­ge­hal­ten wer­den müs­sen. Die von Pre­vent gesetz­te Frist von 7 Wochen war in Anbe­tracht der lang­jäh­ri­gen (geplan­ten) Zusam­men­ar­beit und der jeden­falls für den Auf­bau eines Alter­na­tiv­lie­fe­ran­ten not­wen­di­gen Zeit nach der Ansicht des Gerichts „offen­sicht­lich […] unangemessen“.

Fazit

Ana­log zu den Urtei­len des OLG Düs­sel­dorf und des OLG Cel­le zeigt auch die­ses Urteil in der Sache Pre­vent, dass die Kom­mu­ni­ka­ti­on gegen­über Geschäfts­part­nern mit Bedacht und erst nach aus­rei­chen­der Prü­fung der eige­nen recht­li­chen Posi­ti­on erfol­gen sollte.

Gleich­zei­tig hat das OLG Stutt­gart mit sei­ner Ent­schei­dung und den Aus­füh­run­gen zur Umdeu­tung der außer­or­dent­li­chen in eine ordent­li­che Kün­di­gung die grund­sätz­li­che Mög­lich­keit einer sol­chen ordent­li­chen Kün­di­gung mit ange­mes­se­ner Frist auf der Grund­la­ge von §§ 623, 724 BGB für Zulie­fe­rer­ver­trä­ge aufgezeigt.

Im Übri­gen soll­te schon bei der Ver­trags­ge­stal­tung dar­auf geach­tet wer­den, erkann­te (Preis-) Risi­ken im Ver­trag soweit mög­lich abzu­bil­den und aus­zu­schlie­ßen, um sich gar nicht erst in Situa­tio­nen wie der oben dar­ge­stell­ten wiederzufinden.

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