Update – Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten
Das Gesetzgebungsverfahren für den Verordnungsvorschlag über entwaldungsfreie Lieferketten vom 17.11.2021 (wir berichteten) im Rahmen des Green Deal schreitet voran. Am 14. September 2022 erfolgte die erste Lesung im Plenum des EU-Parlaments, wobei das Plenum einem Kompromissvorschlag zugestimmt hat, der eine deutliche Ausweitung des Anwendungsbereichs des Entwurfs vorsieht. Bereits im Juni hatte der Ministerrat eine allgemeine Ausrichtung zum Verordnungsvorschlag der EU-Kommission veröffentlicht, die den Gesetzgebungsprozess beschleunigen kann. Dies zeigt die Relevanz der Thematik auf EU-Ebene.
Bereits vor der ersten Lesung des Verordnungsentwurfs im Plenum des europäischen Parlaments hatte sich der Rat der Europäischen Union am 28. Juni 2022 auf eine sog. allgemeine Ausrichtung (politische Einigung) festgelegt, die die Ausgangsposition für die weiteren Verhandlungen des Rates im Gesetzgebungsverfahren darstellt. In diesem Zuge einigte sich der Rat auf eine moderate Ausweitung des Anwendungsbereichs der Verordnung, sodass die in Annex I genannten relevanten Erzeugnisse zukünftig u.a. auch Holzkohle, Holzwolle und Holzmehl erfassen. Nach der Ausrichtung des Rates sollen verbindliche Sorgfaltspflichten für alle Marktteilnehmer und Händler gelten. Bei der Erstellung der Sorgfaltserklärungen wird den KMUs die Möglichkeit gegeben, sich auf größere Wirtschaftsbeteiligte zu verlassen. Gleichzeitig wurden die Schwellenwerte für die obligatorischen Kontrollen durch die zuständigen Behörden und Mindestkontrollniveaus gemindert. Darüber hinaus wurde die Errichtung eines Benchmarking-Systems abgestimmt, wonach das Entwaldungsrisiko in der EU sowie in Drittstaaten in drei Kategorien “gering”, “normal” und “hoch” eingestuft werden soll, an denen sich zukünftig sowohl der Umfang der Prüfungsintensität durch die Behörden als auch der Umfang der einzuhaltenden Sorgfaltspflichten durch die Wirtschaftsakteure ausrichten soll. Im Übrigen wurde ein stärkerer Fokus auf die Menschenrechte gelegt.
Auch das europäische Parlament hat am 14.09.2022 in der ersten Lesung seinen Standpunkt festgelegt und einem Kompromissvorschlag des ENVI-Ausschusses des Parlaments zugestimmt, der deutlich strenger als die Forderungen des Rates ausfällt. Dieser sieht eine deutliche Ausweitung des sachlichen Anwendungsbereichs vor und möchte in Zukunft auch Schweinefleisch, Schafe und Ziegen, Geflügel, Mais, Kautschuk, Holzkohle und bedruckte Papierprodukte als Rohstoff und/oder Erzeugnis reguliert sehen. Besonders für die Praxis relevant ist die Vorverlegung des relevanten Stichtags, zu dem die neuen Regeln beachtet werden müssen: dieser wurde vom 31.12.2020 um ein Jahr auf den 31. Dezember 2019 vorverlegt, was zur Folge hätte, dass nach dem Inkrafttreten der neuen Verordnung keine Rohstoffe und/oder Erzeugnisse mehr auf den Markt gelangen dürfen, die auf Entwaldung oder Waldschädigung beruhen. Einigkeit mit dem Rat besteht dahingehend, dass Menschenrechte und die Rechte indigener Völker stärker in den Fokus genommen werden müssen.
Fazit
Es bleibt abzuwarten, ob der Rat den Standpunkt des Parlaments annimmt und die Verordnung zeitnah erlassen wird. Aufgrund der offensichtlich massiven Differenzen zwischen den verschiedenen Standpunkten dürften jedoch weitere Verhandlungen und eine zweite Lesung im Parlament erforderlich werden, die bereits innerhalb von drei Monaten stattfinden könnte. Mit dem neuen Verordnungsvorschlag stellt die EU jedenfalls klar, dass es ihr mit dem Umwelt- und Artenschutz sehr ernst ist.
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