Mit dem Gesetzesbeschluss (PDF) hat die viel diskutierte Novelle des StVG die letzte Hürde genommen. “Damit ist der Weg frei, um selbststeuernde Fahrzeuge ganz regulär auf die Straße zu holen – als erstes Land weltweit. Damit setzen wir international Standards. Deutschland wird zur Nummer eins”, verkündete Bundesverkehrsminister Scheuer euphorisch. Die Novelle soll dabei als Grundlage und Übergangslösung dienen, bis auf internationaler Ebene harmonisierte Vorschriften vorliegen.
Regelbetrieb in festgelegten Betriebsbereichen möglich
Fahrzeuge mit autonomer Fahrfunktion, d. h. solche, die ohne fahrzeugführende Person selbstständig fahren, dürfen unter bestimmten (insbesondere technischen) Voraussetzungen in festgelegten Betriebsbereichen des öffentlichen Straßenverkehrs genutzt werden. Der Begriff des Betriebsbereichs wurde bewusst abstrakt ausgestaltet. Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs (PDF) ist die Intention, unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten grundsätzlich eine Vielzahl von Betriebsbereichen zu ermöglichen. Die Festlegung eines Betriebsbereichs erfolgt zunächst durch den Halter, sodann ist dieser durch den Halter festgelegte Betriebsbereich durch die nach Landesrecht zuständige Behörde zu genehmigen. In Betracht kommt etwa die Nutzung im ÖPNV, bei Dienst- und Versorgungsfahrten oder zur Erfüllung von Logistikaufgaben.
Level-4-Automatisierung erfordert eine technische Aufsicht
Zentraler Bestandteil der StVG-Novelle sind Regelungen zu den technischen Anforderungen an Bau, Beschaffenheit und Ausrüstung von Fahrzeugen mit autonomen Fahrfunktionen. Diese Anforderungen entsprechen dem Automatisierungsgrad Level 4 (vollautomatisiertes Fahren). Dabei bewältigt das Fahrzeug die Fahraufgabe selbstständig, ohne dass eine fahrzeugführende Person in die Steuerung eingreift oder die Fahrt des Kraftfahrzeugs permanent von der technischen Aufsicht überwacht wird. Die technische Aufsicht musste neu eingeführt werden, um die Vereinbarkeit des Gesetzes mit internationalen Bestimmungen herzustellen. Dabei handelt es sich um eine natürliche Person, die dafür verantwortlich ist, im Einzelfall die Fahrmanöver des Kraftfahrzeuges mit autonomer Fahrfunktion von außen zu deaktivieren bzw. freizugeben oder in den sog. risikominimalen Zustand zu versetzen.
Einzelheiten müssen konkretisiert werden
Autonome Fahrfunktionen sind bislang nicht harmonisiert. Eine Typgenehmigung kann für solche Fahrzeuge daher nicht erteilt werden. Während der Rechtsrahmen auf EU- und UNECE-Ebene fortentwickelt werden soll, sieht die StVG-Novelle in § 1j nun eine Verordnungsermächtigung vor. Danach wird Deutschland vorerst einen eigenen Weg wählen und die konkrete Ausgestaltung der wesentlichen Inhalte zu technischen Anforderungen an Fahrzeuge, deren Zulassung und Verwendung sowie Qualifikationen der Nutzer, aber auch Aspekte des Datenschutzes und der Cybersecurity (wir waren beteiligt) sowie zu Haftungsfragen in einer Verordnung (“Autonome Fahrzeug-Genehmigungs- und Betriebsverordnung”) vornehmen. Ob diese Konkretisierungen zielführend erfolgen, bleibt abzuwarten. Ob Deutschland beim autonomen Fahren tatsächlich zur “Nummer eins” wird, hängt maßgeblich von diesen Details ab.
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